Rückblicke
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Die zunehmende Verkehrsdichte auf einzelnen Straßenbahnlinien vor dem Ersten Weltkrieg und das damals erforderliche Umkuppeln in den Endstationen erforderte neue Lösungen, um das Verkehrsangebot zu erhöhen, ohne jedoch die Wagenzahl zu vermehren. Da der Gelenkwagen noch nicht erfunden war, versuchte man eben, in die Höhe zu bauen.
Der damalige Direktor der Wiener Straßenbahn, Ing. Ludwig Spängler, entwarf während seiner gesamten Dienstzeit viele interessante Projekte, so auch einen „Decksitzwagen“ Type E, Nummer 2545, den die Hauptwerkstätte im Jahr 1913 fertigte.
Der Wagen war nach englischem Vorbild auf einem Fahrgestell aufgebaut worden, das der Triebwagentype „K“ entsprach.
Auch war der doppelstöckige Wagenkasten der Type K sehr ähnlich, nur waren sechs anstatt der sonst üblichen acht Fenster vorhanden. Im Unterdeck waren 20 Sitzplätze auf Quer- und Längsbänken angeordnet. Der Aufgang zum Oberdeck befand sich in der Mitte des Wagens und in diesem Oberdeck gab es 32 Sitzplätze auf Querbänken. Insgesamt fanden 72 Fahrgäste in dem Wagen Platz.
Bereits nach kurzer Zeit wurde der Wagen in das „Musterwagenschema“ (Nummern 451 – 463) als Nummer 452 eingereiht.
Da der Wagen die abnorme Höhe von 4,9 Metern hatte und ein Gewicht von 14 Tonnen hatte, konnte er nur sehr eingeschränkt im Wiener Straßenbahnnetz verwendet werden und für seine Unterstellung in der Halle 1 des Bahnhofes Rudolfsheim mußte sogar die Dachkonstruktion im Bereich der Einfahrt auf die Gleise 4 und 5 gehoben werden.
Danach konstruierte Ing. Spängler vierachsige Drehgestell-Wagen nach amerikanischem Vorbild. Von dieser Type „F“ wurden zwei Stockwagen im Jahr 1915 von der Simmeringer Waggonfabrik hergestellt. Durch geschickte Anordnung der Drehgestelle und der Kastenkonstruktion hatten die Wagen eine Höhe von „nur“ 4,4 Metern. Als Drehgestelle wurden „Maximum-Traction-Trucks“ mit asymmetrischen Drehzapfen, großen Antriebsrädern und kleinen Laufachsrädern eingebaut. Diese beiden Triebwagen hatten außen und innen kleine Unterschiede aufzuweisen: Der Wagen 453 hatte Längssitze und war rot lackiert, der Wagen 454 hatte Querbänke und eine graue Lackierung. Die unterschiedliche Lackierung wurde im Jahr 1923 durch einen chromgrünen Anstrich an beiden Wagen ersetzt.
Beide F-Triebwagen hatten – erstmalig für die Wiener Straßenbahn – eine Knorr-Druckluftbremse als Haltebremse. Die Druckluft für Bremse und Sandstreuer wurde von einem zwangsgetriebenen Achskompressor erzeugt. Das Gewicht jedes Wagens betrug 22 Tonnen. Trotz der enormen Größenverhältnisse der beiden „Schlachtschiffe“ konnten sie Gleisbögen mit einem Radius von nur 17 Metern befahren!
Alle drei „Doppeldecker“ hatten viele technische und betriebliche Einschränkungen und Auflagen: Sie mußten von jeweils zwei Schaffnern besetzt sein, die sich mit einer elektrischen Klingel verständigen konnten und sie waren nur auf Linien einsetzbar, auf denen es keine Einschränkungen bezüglich der Wagenhöhe, des Fahrzeugprofiles oder des Wagengewichtes gab.
Die zusätzliche Weisung der K.k. Generalinspektion der österreichischen Eisenbahnen zur Betriebsbewilligung der Wagen spricht auch für sich: „….es wird jedoch vorgeschrieben, daß, um den bei Befahrung von Kurven bei starkem Winde sich summierenden Wirkungen der Zentrifugalkraft und des Winddruckes Rechnung zu tragen, die in Gleisbögen liegenden Strecken bei starkem Winde nur mit verminderter Geschwindigkeit befahren werden dürfen…..“
Zu all diesen betrieblichen Erschwernissen bewährten sich die drei Doppeldecker auch noch deswegen nicht, da die Fahrgäste die steilen Stiegen zum Oberdeck nur ungern benützen wollten. Für Raucher mag aber damals ein Anreiz zum Benützen des Oberdecks bestanden haben, da dort das Rauchen erlaubt war.
Der E 452 wurde im Jahr 1930 zu einem normalen K-Triebwagen mit der Betriebsnummer 2543 umgebaut, die beiden „F“ wurden im Jahr 1932 abgestellt und 1939 im Altmateriallager Simmering verschrottet.