Rückblicke
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren nun schon einige brauchbare Neubaufahrzeuge auf der Straßenbahn in Betrieb, aber die „Ultimative Innovation“ – wie man heute sagen würde – gab es noch nicht!
Nach kurzer Planung war es dann im Jahr 1957 soweit: Von der Firma Gräf & Stift wurde ein Gelenkwagen ausgeliefert!
Man hatte damals mit relativ einfachen Mitteln einen vierachsigen Gelenkwagen „auf die Räder gestellt“, der nicht nur robust, sondern auch sehr preisgünstig war. Der Grund, warum man damals „Gelenkwagen“ bauen wollte, waren „Rationalisierungsmaßnahmen“, da man mindestens einen Schaffner einsparen konnte. Einige Jahre später – in der Zeit des akuten Personalmangels – waren Gelenkwagen zur absoluten Notwendigkeit geworden.
Als Basis des ersten Gelenkwagens dienten zwei Fahrgestelle von Stadtbahnbeiwagen der Type n1 (Nummern 5782 und 5784), die mit Stahl-Wagenkastenaufbauten versehen wurden, die den L3- und T2-Triebwagen glichen.
Die beiden Wagenhälften wurden mit einem Gelenk der italienischen Firma Savigliano (Turin) verbunden. Der Gelenkbereich wurde innen mit Teleskopwänden verkleidet.
Der Wagen mit der Typenbezeichnung D 4301 wurde am 3. Juli 1957 im Bahnhof Rodaun der ÖBB an das Wiener Straßenbahnnetz übergeben und noch am gleichen Tag in die Hauptwerkstätte nach Rudolfsheim überstellt. Um Probefahrten durchführen zu können, kam der Wagen am 17. August 1957 zum Bahnhof Simmering.
Nur nebenbei soll hier erwähnt werden, daß der neue Gelenkwagen von der Presse und von den Wienern eine Palette von Spitznamen bekommen hatte, die vom liebevollen „Tatzelwurm“ bis zum fast schon verletzenden „Proletenschlauch“ reichte.
Der Wagen 4301 hatte eine Länge von 21.280 Meter, vier Motoren Type U 158 v (je 41 kW) und ein Gewicht von fast 29 Tonnen!
Als Fahrschalter wurde nicht wie bei den C1-Triebwagen ein Unterflur-Schaltwerk eingebaut, sondern wie beim C1 159 ein Schaltwerk mit einem stehenden Teil neben dem Fahrer und einem liegenden Teil unter der Sitzbank hinter dem Fahrerplatz installiert.
Diese Bauart wurde in der Folge auch bei den Typen C3, D1, E und E1 verwendet.
Das Fahrschalter-Einzelstück Type „NF 562 KH“ des Wagens 4301 war aber eine Besonderheit für sich: Er hatte 17 Fahr- und 12 Bremsstufen und war sowohl für Kurbel-, als auch für Hebelbedienung ausgelegt – im Betrieb wurde jedoch ausschließlich der Hebel verwendet!
Ähnlich den C1-Zügen hatte auch der „D“ eine indirekte Druckluft-Haltebremse (auf Bremsklötze wirkend) inklusive Schleuderschutz.
Eine Kuriosität war auch der eingebaute „Entgleisungsschutz“, der den Wagen beim Befahren eines engen Gleisbogens (unter 18 Meter Radius) mittels der Druckluftbremse einbremsen konnte.
Insgesamt wollte man damals alle 76 noch vorhandenen n1-Stadtbahnbeiwagen zu Gelenkwagen umbauen (Nummern 4302 – 4339), aber es kam dann doch etwas anders: Der Nachbau der Type D – allerdings mit einem etwas längeren Mittelteil und einer dritten Hecktüre – bekam die Typenbezeichnung „D1“ und die Betriebsnummern 4302 – 4316.
Die Probefahrten (auch mit c2-Beiwagen) verliefen einigermaßen zufriedenstellend und man konnte an die Inbetriebnahme des ersten Wiener (sogar des ersten Österreichischen) Gelenkwagens denken.
Die „Jungfernfahrt“ im Personenverkehr erfolgte am 17. Februar 1958 auf der Linie 71.
Sein weiteres Leben verbrachte der D 4301 (und auch alle D1) allerdings am Bahnhof Währing auf den Linien 9, 42 und E2 ausschließlich im Solobetrieb, hauptsächlich jedoch auf der Linie 41.
Der Prototyp D 4301 bewährte sich trotz seiner Schwerfälligkeit einigermaßen, er verblieb bis zu seiner Ausscheidung im Jahr 1974 im Linienverkehr.
Danach kam er zum Wiener Straßenbahnmuseum, wo er im Jahr 1990 technisch restauriert und neu lackiert wurde.