Rückblicke
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Als die erste Pferdetramway Wiens (Schottentor – Hernals) am 4. Oktober 1865 eröffnet wurde, war natürlich noch keine Liniensignalisierung notwendig. Erst die rasche Expansion des Streckennetzes erforderte eine Kennzeichnung der in viele Richtungen fahrenden Straßenbahnwagen. Im Jahr 1874 wurde daher von der „Wiener Tramwaygesellschaft“ und vom Konkurrenzunternehmen „Neue Wiener Tramwaygesellschaft“ eine Signalisierung der Tramwaywagen mittels geometrischer Figuren eingeführt.
Bei diesem System wurde mit dem „Signal“ allerdings nur das Fahrziel (die Endstation) angezeigt, nicht jedoch der Fahrweg des Wagens. Die gefahrene Route mit ihren markanten Örtlichkeiten wurde daher mit zusätzlichen Tafeln seitlich am Dach angeschrieben.
Dieses System wurde mit diversen aktuellen Änderungen sogar noch im elektrischen Betrieb beibehalten.
Da sich die bisherige Anzeige der jeweiligen Endstation im Laufe der Jahre als zu kompliziert und unflexibel herausstellte, wurde an einem neuen System gearbeitet, das am 6. Juli 1906 vom Wiener Gemeinderat beschlossen und ab 1907 bei der Wiener Straßenbahn eingeführt wurde.
Die erste Form der Liniensignale waren einfache Signallaternen (Durchmesser 35 cm), die an der Front des Wagendaches (mittig oder links) angebracht waren.
Das Linien-Signalbild ergab sich dadurch, dass vor die weiße Glasscheibe (bei Dunkelheit beleuchtet), eine Blechscheibe vorgesteckt wurde, aus der die dementsprechenden Zeichen ausgestanzt waren.
An der Stirnseite und an der Rückseite jedes Zuges waren „Brustwandtafeln“ angebracht, die das Fahrziel des Zuges angaben, seitlich (hinter den Fenstern) war die Linienbezeichnung (Zifferntafel) und die Fahrtroute (Routentafel) des Zuges angeführt.
Die Grundprinzipien der neuen Liniensignalisierung:
Rundlinien, welche die Stadt in verschiedenen Radien abschnittsweise kreisförmig umfahren, wurde die Nummerngruppe 1 bis 20 zugeteilt.
Radiallinien, die stadtein- bzw. stadtauswärts fahren, wurden – mit der Nummer 21 bei der Ausstellungsstraße beginnend – gegen den Uhrzeigersinn bis 82 bezeichnet.
Die Kombination aus Rund- und Radiallinien, die Durchgangslinien, bekamen Buchstaben als Linienbezeichnung. Normalerweise befuhren Durchgangslinien einen Teil der Ringstraße.
Die Durchgangslinien, die jedoch nicht die Ringstraße, sondern die „Lastenstraße“ benutzten, bekamen die Ziffer „2“ als Index zugesetzt. Daraus entstand der noch heute verwendete Begriff „2er-Linie“ für diesen Straßenzug, obwohl dort schon seit langer Zeit keine Straßenbahn mehr fährt.
Die Verlängerung einer Linie oder die Abzweigung einer Linie von der Hauptstrecke konnte mit einer zusätzlichen Hunderterstelle gekennzeichnet werden.
Wenn ein Zug einer Linie nicht das normale Fahrtziel erreichte, sondern schon vorher gekürzt wurde, bekam das Liniensignal einen schrägen Balken als Kennzeichnung.
Sonderlinien bekamen meist Buchstaben- / Zahlenkombinationen. In besonderen Ausnahmsfällen wurde auch ohne Liniensignal, also mit „weißer Scheibe“ gefahren.
Eine Besonderheit gab es beim alljährlichen „Friedhofsverkehr“ (um den 1. November) für die Linien zum Zentralfriedhof. Abgesehen davon, dass zu diesem Ereignis viele Sonder-Linien geführt wurden, waren deren „Brustwandtafeln“ (und später die „Zielschilder“) teilweise färbig ausgeführt.
Der Zweck war, die drei Hauptrichtungen, welche die Züge vom Zentralfriedhof nahmen, markant zu kennzeichnen.
Diese weithin sichtbaren Kennzeichnungen erleichterten dem Betriebspersonal das Sortieren der Züge für den massenhaften Abtransport der Fahrgäste vom Zentralfriedhof.
Weiße Tafeln trugen Züge, die über die normale Strecke der Linie 71 (Simmeringer Hauptstraße – Rennweg) fuhren.
Grüne Tafeln trugen Züge, die über die Geiselbergstraße geführt wurden.
Rote Tafeln hatten Züge, die den Weg über die Landstraßer Hauptstraße nahmen.
Als betriebliche Signalisierung fungierte das Liniensignal auch auf eingleisigen Strecken. Fand auf einer eingleisigen Strecke erhöhtes Verkehrsaufkommen statt, so fuhren Züge oft in Zuggruppen in den eingleisigen Abschnitt ein. Diese Züge fuhren mit „weißer Scheibe“, nur der jeweils letzte Zug einer solchen Zuggruppe trug das Liniensignal als Kennzeichen, dass die Zuggruppe den eingleisigen Abschnitt vollständig verlassen hat.
Das gut durchdachte System wurde allerdings im Laufe der Jahre immer wieder verwässert und „aktualisiert“, sodaß davon nur mehr wenig übriggeblieben ist. Heute gibt es daher „Durchgangslinien“ mit den merkwürdigen Bezeichnungen 1 , 2 und 71, die Linie O, die schon lange keine Durchgangslinie mehr ist, heißt dafür aber noch immer O.
Daß die Linie D als einzig verbliebene „echte“ Wiener Durchgangslinie noch immer die richtige Bezeichnung D trägt, dürfte den dafür zuständigen „Fachleuten“ entgangen sein….