Rückblicke
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Amerikaner in Wien
Die sicherlich kuriosesten Straßenbahnfahrzeuge Wiens waren wohl die „Amerikaner“.
In den Notzeiten unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war es einfach nicht möglich, die immensen Fahrzeugverluste durch Neubauten zu ersetzen. Daher wurden vorerst einmal neue Aufbauten auf alte, zum Teil sogar kriegsbeschädigte Fahrgestelle hergestellt. In dieser Art entstanden die Typen G4, H2 und u3, die mit den im Krieg gelieferten und danach technisch komplettierten „Heidelbergern“ den Grundstock für den „Wiederaufbau“ darstellten.
In dieser Situation war die Information der amerikanischen Besatzungsregierung sehr hilfreich, daß man in New York Straßenbahnwagen kaufen könnte, die dort nicht mehr gebraucht würden.
Der Grund dafür war, daß der damalige Bürgermeister Fiorello H. La Guardia den öffentlichen Verkehr in New York auf einen „modernen“ Busbetrieb umstellen ließ und die New Yorker Straßenbahn daher letztmalig am 21. August 1948 in Betrieb gestanden war.
Nach einer Besichtigung durch Fachleute wurde dann der Kauf von 42 Wagen aus der letzten, im Jahr 1939 gebauten Wagenserie (Nummerngruppe 626 – 685) am 18. Dezember 1948 abgeschlossen. Zusätzlich wurden noch drei ältere Wagen (105, 108, 119) als Ersatzteilspender geordert.
Von Mai bis Juli 1949 wurden die Fahrzeuge dann mit sechs Transporten auf dem Seeweg bis Rotterdam und auf der Schiene (auf Güterwagen verladen) bis Wien-Rodaun geführt.
Nach den umfangreichen Umbauarbeiten in der Hauptwerkstätte Rudolfsheim und im Gräf & Stift-Werk in Rodaun wurden die fast 13 Meter langen, vierachsigen Wagen dann ab 13. März 1950 auf der Linie 331 (heute 31) eingesetzt.
Die Wagen hatten aber einige Nachteile: Es konnten keine Beiwagen angehängt werden, sie waren für die damaligen Wiener Verhältnisse überbreit (2,49 m) und es konnten keine Schienenbremsen installiert werden. Wegen der Über-Breite der Wagen konnten sie nur auf den ehemaligen Strecken der ebenfalls breiteren Dampftramway oder auf eingleisigen Strecken verkehren. Und da aus finanziellen Gründen nur ein mittig angeordneter Stromabnehmer montiert worden war, mußte für die befahrenen Strecken auch eine besondere Oberleitungsgeometrie installiert werden.
Die bei den Fahrgästen überaus beliebten „Amerikaner“ (Type Z) mit den Betriebsnummern 4201 – 4242 fuhren fast 20 Jahre in ihrer neuen Heimat Wien, aber am 5. September 1969 wurden auch die letzten Wagen auf der Linie 11 aus dem Verkehr gezogen. Die Z-Wagen waren die letzten Personenwagen Wiens ohne Schienenbremsen.
Insgesamt sieben Wagen gingen an diverse Museen, wobei der Z 4208 der einzige ist, der in der Wiener Lackierung erhalten blieb.
Und von diesem Z 4208 möchte ich hier noch etwas erzählen. Eigentlich wollten wir (die damaligen Betreuer der „Museumsfahrzeuge“ im Bahnhof Ottakring) nach einer Besichtigung im Altmateriallager Simmering im Jahr 1969 den Z 4207 als Museumswagen erhalten. Am Tag der Abholung hatte es aber so stark geschneit, sodaß es unmöglich war, in Simmering zu diesem Wagen zu gelangen. Eine kurze „Nachvisite“ ergab, daß sich der „freistehende“ Wagen 4208 in einem etwa gleich guten Zustand wie der Wagen 4207 befand: Und so kam der 4208 zu „Museumsehren“!
Der in Bedienung und Erhaltung sehr komplizierte Wagen war immer eine Herausforderung im Wiener Straßenbahnmuseum, wo er von 1986 bis 2010 betriebsfähig erhalten wurde. Bei vielen Anlässen (z.B. 1986, 1990, 1996, 1997, 2009 und 2010) wurde der Z 4208 in Festzügen, Konvois oder bei Einzelveranstaltungen als fahrendes und damit lebendes Museumsstück eingesetzt.
Während dieser Zeit hatte ich es mir vorbehalten, den Z 4208 fahrtechnisch selbst zu betreuen, wodurch ich mir die sehr komplizierte Bedienung des Wagens gut aneignen konnte.
Bei den Vorarbeiten zur 100-Jahr-Parade im Jahr 2003 zeigte es sich aber, daß die Zahnradantriebe des Z 4208 absolut abgefahren waren und ein Fahrbetrieb daher nicht möglich war. Mit großem Einsatz der Hauptwerkstätte und der Museumswerkstätte konnten die ungebräuchlichen, pfeilverzahnten Ritzel und Großzahnräder in den folgenden Jahren aber doch beschafft und montiert werden. Der Wagen bekam dabei auch gleich eine Hauptrevision, aber erst in der Museumssaison 2009 konnte der „Amerikaner“ an den „Aktivtagen“ wieder für die Museumsbesucher eingesetzt werden.
Eine letzte Fahrt mit „meinem“ Z 4208 durfte ich (schon als Pensionist!) am 25. September 2010 bei der Veranstaltung „60 Jahre VEF“ noch durchführen, da es bei den Wiener Linien sonst niemanden mehr gab, der in die Geheimnisse des „Amerikaners“ kompetent eingeweiht war…..
Mehr über die Geschichte der „Amerikaner“ (und natürlich über alle anderen Wiener Tramwaywagen) ist im Buch „150 Jahre öffentliche Verkehrsmittel in Wien“ aus dem Verlag www.bahn-im-film.at zu lesen…