Rückblicke
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Vor 40 Jahren wurde die letzte Fahrzeuggeneration für die „Stadtbahn“ ausgeliefert. Grund genug, eine kurze Rückschau über den Einsatz dieser denkwürdigen Fahrzeuge zu halten. Daß diese Fahrzeuge überhaupt gebaut wurden, entstand aus einer Verlegenheit: Die in den 1970er Jahren noch immer aktiven, alten Stadtbahnwagen der Typen N1 / n2 (die noch vollkommen rot lackiert waren), befanden sich in einem zunehmend bedenklichen Zustand, aber die Gürtelstrecke der Stadtbahn war damals noch nicht in das U-Bahn-Konzept einbezogen worden.
„Echte“ U-Bahn-Fahrzeuge, wie sie auf der Linie U4 – der ehemaligen Wiental- und Donaukanallinie der Stadtbahn – Verwendung fanden, konnten aus mehreren technischen Gründen auf der Gürtellinie nicht zum Einsatz kommen.
Der schon bei der Elektrifizierung der Stadtbahn im Jahr 1925 eingeleitete Mißstand, daß auf den Stadtbahnstrecken eigentlich nur „Schnell-Straßenbahnwagen“ (Typen N, n und n1) anstatt echter „Schnellbahnfahrzeuge“ Verwendung fanden, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aus finanziellen Gründen mit den Typen N1 / n2 prolongiert und erfuhr mit der Indienststellung der Typen E6 / c6 zu Ende der 1970er Jahre seine zweite Verlängerung.
Die 1978 in Betrieb genommenen, damals hochmodernen Straßenbahnzüge der Typen E2 / c5 wurden als Grundlage für eine Zwei-Richtungsversion mit Zugsteuerung herangezogen. Im Jahr 1979 wurden dann die ersten Gelenktriebwagen der Type E6 (Betriebsnummern 4901 – 4948) und Gelenkbeiwagen der Type c6 (1901 – 1946) von Bombardier (ehemals Lohnerwerke) für die Stadtbahn angeliefert, worauf eine lange Probephase im Stadtbahn- und Straßenbahnnetz (für Überstellungsfahrten) folgte.
Mitte 1980 wurden dann schon Züge für den Schulungsbetrieb freigegeben, wobei ich als damaliger Mitarbeiter des „Schulbüros“ mit zwei Kollegen an der Erstellung der Lehrunterlagen und der Schulung der Stadtbahnfahrer auf den „neuen“ Stadtbahnwagen arbeiten durfte.
Obwohl der Stadtbahnbetrieb durch die neuen Fahrzeuge von der „technischen Steinzeit“ schlagartig ins Atomzeitalter versetzt wurde, kamen die alt-eingesessenen „Stadtbahner“ doch erstaunlich gut mit der vollkommen anderen Bedienungsweise der neuen Wagen zurecht.
Am 29. November 1980 war dann der Ersttag der neuen Garnituren im Personenverkehr. Obwohl die Wagen in der Probe- und Schulungsphase aufgrund ihrer sehr aufwendigen und komplizierten technischen Einrichtung alle „Stückerln“ im negativen Sinn gespielt hatten, verlief zumindest dieser erste Einsatztag problemlos.
Von nun an teilten sich die neuen Züge noch bis zum 1. Juli 1983 den Dienst auf der Stadtbahn-Gürtelstrecke mit den alten, vollkommen roten Stadtbahnwagen, welche aus unerfindlichen Gründen vom Personal erst in dieser letzten Zeit den Spitznamen „die Eisernen“ bekommen hatten.
In diesem „Mischbetrieb“ war das Fahren mit den schnellen E6-Garnituren aber ziemlich frustrierend, denn die gesamte Strecke war wegen der alten Züge und der damaligen Signalanlagen weiterhin nur für eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h zugelassen.
Eine weitere Merkwürdigkeit ergab sich noch aus der Behördenforderung, etwaigen Kinderwagen am Bahnsteig besondere Aufmerksamkeit zu schenken, worauf längere Zeit auf jedem E6-Zug ein „Kinderwagen-Zugbegleiter“ mitfuhr, dessen einzige Aufgabe es war, in jeder Station nach Kinderwagen Ausschau zu halten. Erst nach Einbau der „Kinderwagen-Tasten“ in die Wagen konnte dieser eintönige Job aufgelassen werden.
Die doch eher an eine Straßenbahn erinnernden neuen Stadtbahnzüge kamen ab 7. Oktober 1989 aber sogar noch zu U-Bahn-Ehren, als die letzte Stadtbahnstrecke (Gürtellinie) zur U-Bahnlinie U6 mutierte.
Glücklich war man mit den E6-c6-Zügen nie, insbesonders als mit der Forderung nach Barrierefreiheit der Standard von Niederflurwagen gefragt war. Der aus diesem Grund ab 1993 eingeführte „Mischbetrieb“ mit den Niederflurwagen der Type T (in jedem E6-Zug war in der Mitte ein T-Triebwagen eingereiht) war technisch und betrieblich aber auch nicht zufriedenstellend, sodaß man Möglichkeiten fand, die E6-c6 nach nur 29 Jahren Betriebszeit nach Amsterdam, Krakau und Utrecht zu verkaufen, um endlich einen zeitgerechten Betrieb auf der U6 zu ermöglichen.
Nach Lieferung der T-Nachfolgetype „T1“ konnte der Auslauf der U6 endlich ausschließlich mit T-/T1-Zügen abgewickelt und damit vollkommen auf einen zeitgemäßen Niederflur-Betrieb umgestellt werden.
Nachdem schon am 23. Dezember 2008 der planmäßige Einsatz der E6 / c6 – Garnituren auf der Linie U6 geendet hatte, wurde am 19. Jänner 2009 die letzte Reise mit einem E6-/c6-Zug im Rahmen einer Pressefahrt durchgeführt. Bei dieser Pressefahrt fuhren wie üblich auch Gäste und Politiker mit, die sonst nie in öffentlichen Verkehrsmitteln zu sehen sind.
Bei der Abschiedsfahrt der Typen E6 / c6 am 19. Jänner 2009 wurden zwar „U-Bahn“-Wagen verabschiedet, in Wirklichkeit verschwand aber die letzte Fahrzeuggeneration der „Wiener Elektrischen Stadtbahn“.