Rückblicke
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Die Geschichte der Straßenbahnen in Text und Bild
Schon lange warf ein ganz besonderes Ereignis seine Schatten in den Fachzeitschriften voraus: Die „Internationale Verkehrsausstellung“ (IVA) in München. Natürlich quälte ich meinen Vater dahingehend, daß im Zuge des geplanten, aber für mich als eher sinnlos betrachteten Sommerurlaubes im Salzkammergut auch ein Abstecher nach München eingeplant wird.
Um es kurz zu machen: Ich habe es tatsächlich geschafft! Im August 1965 ging es also für drei Tage nach München und dort gleich mit der „Trambahn“ zum IVA-Gelände.
Unter den vielen Exponaten gab es in 25 Hallen und 9 Freigeländen sehr viel Einschlägiges für mich zu sehen. Im Bereich Eisenbahn standen neben Modellen auch verschiedene Diesel- und Elektrolokomotiven aller möglichen Bahnverwaltungen zur Besichtigung frei und mit einer Diesellok durfte man unter Anleitung sogar selbst fahren.
Sensationell war damals aber eine Sache, die heute absoluter Standard ist: Eine Reise mit 200 km/h! Dafür stand bei meiner Fahrt ein Zug mit der erst im Juni 1965 fertiggestellten E 03.004 zur Verfügung, der in Windeseile von München nach Augsburg fuhr. Um die Fahrgäste vom erwarteten Ereignis zu informieren, leuchtete beim Erreichen der 200 km/h die Innenbeleuchtung in den Wagen auf.
Es ist aber wohl klar, daß die Straßenbahn meine Hauptattraktion war. Und da gab es auch einiges zu sehen. Am Freigelände standen jeweils ein Kölner, Kopenhagener und Brüsseler Triebwagen ausgestellt, die man auch von innen besichtigen konnte. Den größten Eindruck hat aber ein ganz anderer Wagen auf mich gemacht, den ich erst nach längerem Suchen gefunden hatte. Ziemlich versteckt in der eher schwach besuchten Halle 20/I stand der vollkommen neue P2 201, der Prototyp-Wagen für die Münchener Gelenkwagenserie P3.
Der Triebwagen an sich war schon sensationell, aber einen noch stärkeren Eindruck hatte die dazugehörige Informationsdame auf mich gemacht: Eine attraktive Münchner Fahrerin in einer modischen Uniform und einer blonden Löwenmähne, die auf mich als knapp 16-jährigen so ziemlich den gleichen beunruhigenden Eindruck gemacht hat als der P2 201!
Da diese Dame mangels Besuchern einigermaßen unterbeschäftigt war, konnte sie sich umsomehr mir und meinen Fragen widmen. Letztlich organisierte sie noch für den nächsten Tag die Besichtigung der Hauptwerkstätte der Münchner Straßenbahn für mich.
Erst 43 Jahre später sah ich wieder ein Bild dieser netten Erscheinung in ihrer IVA-Funktion als MVB-Hosteß im sehr kompetenten Buch über die Münchner P-Wagen von Thomas Badalec!
In München fuhren zu dieser Zeit aber noch hauptsächlich die dreiachsigen M-Züge, es gab damals aber auch noch sehr viele „alte“ Züge, meist bestehend aus vierachsigen Triebwagen mit Maximumdrehgestellen und zweiachsigen Beiwagen, aber auch „Heidelberger“ Züge, sodaß es für mich viel zu schauen und zu fotografieren gab.
Wie vereinbart, fuhr ich am nächsten Tag, dem 25. August, zur Hauptwerkstätte, wo mir mehrere Bereichsleiter ihre Werkstätten und die bearbeiteten Wagen zeigten. Beim Überqueren eines Hofes sah ich jedoch den M3-Triebwagen 796 stehen, der vorne die Tafel „Versuchsfahrt“ trug. Meine kurze dementsprechende Nachfrage hatte den Erfolg, daß ich bei dieser Bremsprobefahrt mitfahren durfte. Beim Fahren schaute ich dem Fahrer auf der Strecke zu und erkannte, daß der Fahrschalter ähnlich aufgebaut und zu bedienen war wie bei den Wiener Großraumzügen C und C1 und ich im „Fall des Falles“ kein Problem damit haben würde.
Die Techniker im Wagen waren alles „g’standene“ Münchner, der Fahrer kam seiner Aussprache nach aber aus dem Norden Deutschlands, was die Ur-Bajuwaren natürlich zu Sticheleien reizte. Nachdem ich einiges Vertrauen zu den „Bayerischen“ gefaßt hatte, redete ich mit ihnen über alles Mögliche und fragte dabei in Richtung des Fahrers: „Is der a Preiß?“, was heftiges Gelächter hervorrief.
Damit hatte ich aber beim Fahrer etwas bewirkt. Er bremste den Zug plötzlich auf freier Strecke ein, stand auf, kam zu mir und fragte bedrohlich in breitestem „berlinerisch“: „Na Kameraad, kannste nur doof reden oder kannste ooch fahren?“
Da diese für mich provokante Frage natürlich mit einer Kostprobe meines Fahrkönnens beantwortet werden mußte, saß ich einige Augenblicke später am Fahrerplatz und ab ging’s dank meiner „Wiener Praxis“ ziemlich professionell mit einem Münchner M-Zug nach Grünwald und retour – eine für mich bis heute unvergeßliche Fahrt!
Und 45 Jahre später – der oben genannte Thomas Badalec war auch Funktionär bei den MVG – durfte ich den P3 2031 unter seiner Aufsicht durch München führen, was ebenso unvergeßlich ist……